Die Schlesischen Musikfeste nach 1945

Die Görlitzer Musikwochen

Schon bald nach 1945 lebte die Tradition der Schlesischen Musikfeste in veränderter Form wieder auf. Da sie aus politischen Gründen nicht „Schlesische Musikfeste“ heißen durften, fand nun immer im Mai die „Görlitzer Musikwoche“ statt. Sie wurde zentral durch die Gastspieldirektion in Berlin verwaltet. Bei den bis 1957 stattfindenden Görlitzer Musikwochen traten namhafte Ensembles und Künstler auf, unter anderem das Leipziger Gewandhausorchester unter Franz Konwitschny.

Die Bergisch-Schlesischen Musiktage

Die Stadt Bergisch Gladbach und der Rheinisch-Bergische Kreis hatten von 1957 bis 1989 eine Patenschaft für die Vertriebenen aus dem östlichen Teil von Stadt und Kreis Görlitz (heute Zgorzelec) übernommen. In Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Schlesische Musik e.V. wollte man die Schlesischen Musikfeste vor dem Vergessenwerden bewahren. Nach mehreren Vorstufen konnten ab 1972 bis 1990 im Zweijahresrhythmus die als Fortsetzung der Schlesischen Musikfeste unter veränderten Bedingungen konzipierten „Bergisch-Schlesischen Musiktage“ stattfinden, die nicht nur von der Stadt und dem Kreis, sondern auch vom Land Nordrhein-Westfalen und der Bundesrepublik Deutschland unterstützt wurden.

Musikalisch lag ein Schwerpunkt auf den Aufführungen von Kompositionen aus Schlesien, um dieser in Westdeutschland wenig beachteten Musikkultur ein Forum zu bieten. Einen weiteren Schwerpunkt bildete die Aufführung von Werken zeitgenössischer Komponisten sowie ihre kunstpädagogische Vermittlung. Auch wurden Kompositionsaufträge erteilt und Kompositionswettbewerbe ausgeschrieben. Für die Bergisch-Schlesischen Musiktage konnten namhafte Solisten, Ensembles und Komponisten gewonnen werden, z.B. die Philharmonia Hungarica, der weltberühmte Avantgarde-Komponist Karl Heinz Stockhausen sowie bekannte schlesische Komponisten deutscher und polnischer Nationalität wie Günter Bialas (Glonn bei München), Heino Schubert (Essen, bzw. Mainz) und Witold Szalonek (Kattowitz). Einige der Konzerte wurden vom Westdeutschen Rundfunk aufgenommen und gesendet.

Neubeginn der Schlesischen Musikfeste 1996 bis 2009 in Görlitz 

Nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 gab es ab 1994 den Wunsch, bald wieder die Tradition der Schlesischen Musikfeste fortzusetzen. In der Trägerschaft des Festkomitees Schlesische Musikfeste – 1994 unter dem Namen „Gründungskreis zur Wiederbelebung der Schlesischen Musikfeste“ gegründet und 1995 umbenannt – fand vom 14. bis 16. Juni 1996 das 27. Schlesische Musikfest statt, dem im Zweijahresrhythmus bis 2009 weitere Musikfeste jeweils im Juni folgten. Das Musikfest 2011 konnte wegen fehlender Mittelzusagen der öffentlichen Hand nicht mehr stattfinden. 

Die Wiederbelebung der Musikfeste war konzeptionell davon geprägt, dass Schlesien immer ein Land des geistigen und materiellen Austauschs zwischen Deutschland, Polen und Böhmen gewesen war. Zudem gehört Schlesien durch die Neuaufteilung seines Gebiets nach dem Zweiten Weltkrieg in weiten Teilen nun zu Polen. Die Neuaufnahme der Musikfeste versuchte diesen Umständen Rechnung zu tragen und die Grenzsituation in der Euroregion Neisse und in den zur „Europastadt“ verbundenen Städten Görlitz/Zgorzelec bewusst zu reflektieren, indem die Schlesischen Musikfeste als ein grenzüberschreitendes Projekt durchgeführt wurden, bei dem Laien- und Berufskünstler aus Deutschland, Polen und Tschechien gemeinsam auftraten und somit einen Beitrag zur Völkerverständigung leisteten. Damit erinnerte das Schlesische Musikfest an die bleibenden Wirkungen von Künstlern aus den ehemals deutschen Gebieten in Ostmitteleuropa und stellt sie in einen neuen Kontext an der Grenze zwischen Deutschland, Polen und Tschechien.